Montag, 10. Dezember 2007

Geocaching

Wörtlich lässt sich dieser Begriff wahrlich schwer übersetzen (Erdspeichern ...) und so will ich mich einmal in einer Erklärung versuchen. Es handelt sich hierbei um eine Tätigkeit (das Geocachen), die sich in den letzte Jahren mehr und mehr als Hobby vieler Menschen etabliert hat.
Mit der Verbilligung und stetigen Weiterentwicklung technischer Geräte sind auch die tragbaren GPS-Systeme für jedermann erschwinglich geworden.

Alle die wissen, was GPS bedeutet, können diesen kursiven Abschnitt überspringen. GPS steht für Global Positioning System und ermöglicht es seinen Anwendern, mit Hilfe von Positionssatelliten, welche sich in einer Erd-Umlaufbahn befinden, die eigene Position auf der Erde auf wenige Meter genau zu bestimmen - und das in allen drei Dimensionen. Mit Hilfe eines tragbaren GPS-Gerätes werden nun die Signale dieser Satelliten eingefangen und aus diesen die eigene Position berechnet. Da auch die Möglichkeiten des Datenspeicherung deutlich besser geworden sind, beinhalten diese portablen Ortungswunder zumeist auch noch virtuelle Stadtpläne oder sonstige geographische Kartenwerke, sodass sich die aktuelle Position schön übersichtlich in den virtuellen Stadtplan einzeichnen lässt.

Diese Geräte helfen einem nun, einen Sport auszuüben, der ohne diese nicht möglich wäre und den man am allgemeinsten wohl mit einer globalen Schintzeljagd vergleichen kann. Auf einer zentralen Internetseite (www.geocaching.com) versammelt sich die komplette Gemeinschaft der Geocacher, welche an den verschiedensten Orten auf der Welt (allein die Phantasie und das Verbot kein Privateigentum zu verletzen setzen hier Grenzen) kleine Behälter mit Dingen oder auch nur einem kleinen Zettel darin versteckt hat. Ziel ist es nun, selbst diese Behälter zu finden und der Gemeinschaft bekannt zu geben: hey ich hab ihn :-).
Für die einfacheren Verstecke sind nur die GPS-Koordinaten angegeben. Man macht sich also nun mit seinem GPS-Wunder-Ortungsgerät auf den Weg und findet die angegebene Position (je nach Empfang mit einer Ungenauigkeit von 2 bis 20 Metern). Dort angelangt, versucht man nun möglichst unauffällig das Versteck zu finden und sich auf der enthaltenen Liste zu verewigen.
Für die schwierigeren Varianten liegen die Koordinaten in verschlüsselter Form vor oder es müssen erst Rätsel gelöst werden, um an die richtige Position zu gelangen. Auch ein Versteckspiel über mehrere Stufen, bei dem man von Versteck zu Versteck läuft, bis man dann schließlich sein Ziel erreicht hat, ist möglich - auch hier ist alleinig die Phantasie des Versteckenden ein limitierender Faktor.

Wie bin ich nun dazu gekommen? Da mich Thomas und Mara in Stockholm besucht haben und Thomas dieses Hobby schon seit einiger Zeit betreibt und Mara seit kürzerer, wurde ich sozusagen von einem erfahrenen Cacher in die Materie eingeführt. Was soll ich sagen. Es macht unglaublichen Spass und man lernt Seiten und Ecken einer Stadt kennen, welche weitab der normalen Touristenrouten liegen. Oftmals sind die Verstecke auch mit lokalen historischen Ereignissen oder Mythen verknüpft, welche den Horizont allemal erweitern - oder hättet ihr gewusst, dass in Stockholm die älteste noch intakte Feuerwache der Welt zu finden ist?
Ich kann dieses Hobby nur empfehlen, bei dem man sich den ganzen Tag an frischer Luft bewegt und auch noch das Hirn bemühen muss, um voranzukommen. (Eine Art Diametral-TV? Wer weiß...)

Dienstag, 4. Dezember 2007

Schiff ahoi!

Wir schreiben den 10. August 1628. Gustav II. Adolf von Schweden befindet sich im Krieg mit seinem Vetter Sigismund III. Wasa, König von Polen, welchen er 1599 vom schwedischen Thron gejagt hatte. Neben den üblichen religiösen Streitigkeiten geht es vor allem um die Vorherrschaft in der Ostsee und den Seeweg zum Baltikum. Gustav II. Adolf lässt sich nicht lumpen und möchte der Vormachtstellung Schwedens durch ein mächtiges Kriegsschiff Rechnung tragen und hat 1626 die Vasa in Auftrag gegeben, das größte und prächtigste Kriegsschiff, welche bis dato in Schweden gebaut wurde. Es muss schnell, gehen, denn sein Vetter hat ebenfalls mit der Aufrüstung des Schiffe begonnen. Eilig wird noch ein zweites Kanonendeck hinzugefügt, um die Feuerkraft des Kolosses zu erhöhen. 64 Kanonen befinden sich nun an Deck und sollen die Polnische Flotte ins Hinterland schießen. Heute läuft die Vasa zur Jungfernfahrt aus, trotz der vielen kritischen Stimmen, welche es im Voraus zur Stabilität des Schiffes gegeben hatte. Prächtig geschmückt, bunt bemalt und mit 150 Mann Besatzung an Board (darunter viele Frauen und Kinder) geht die Vasa auf Jungfernfahrt. Alle Kanonenschächte des imposanten Kanon-Doppeldecks stehen offen, um vor der Festung des Königs Salut zu schießen ...

Ob es Dazu gekommen ist, ist nicht überliefert. Als die Vasa Wind auf ihre Segel bekommt, beginnt sie sich auf die Seite zu legen. Durch die Kanonenschächte dringt Wasser ins Schiff und nur zwanzig Minuten später ist die Jungfernfahrt beendet und die Vasa taumelt dem Grund der Ostsee entgegen. 30 Menschen kommen ums Leben.

Doch warum erzähle ich das überhaupt. Durch den geringen Salzgehalt ist die Ostsee ein sehr ungemütliches Habitat für Teredo Navalis - den Schiffsbohrwurm - welcher sich sonst gütlich an allem gesunkenen Holz tut und jenes schon nach kürzester Zeit in seine Bestandteile zerlegt hat.
Am 25. August 1956 wird die Vasa geborgen und an Land gebracht. Durch das konservierende Salzwasser ist sie zu fast 95% erhalten und fast vollständig intakt.

Mit Lena war ich nun im Museum, welches eigens für dieses Schiff gebaut wurde und einen Seeriesen beherbergt, welcher auch nach über 330 Jahren noch nichts seiner Imposanz und beeindruckenden Wirkung der damaligen Handwerkskunst verloren hat. Über 700 Figuren zieren alle Seiten und nahazu alle wichtigen Bestandteile des Segelschiffes sind vollständig erhalten.
Neben der Vasa selbst beherbergte die Ausstellung auch noch zahlreiche Informationen zu Leben und Zeitgeschichte der Entstehungszeit der Vasa. Neben den an Bord gefundenen Gebrauchsgegenständen ist anhand gefundener Skellettteile auch das Aussehen einiger Besatzungsmitglieder rekonstruiert worden, was den Besucher schnell in die damalige Zeit eintauchen lässt.
Mir hat diese Ausstellung sehr gut gefallen und mich tief beeindruckt. Dass Holz schwimmt, war mir stets bewusst. Was man allerdings erreichen kann, wenn man das Material von 1000 Eichen auf kunstvolle Weise verbindet, entzieht sich im Allgemeinen der Vorstellung ...
Vielen Dank an Lena, mit deren Kamera ich die vielen Bilder gemacht habe und die meinen langen Aufenthalt auch an den langweiligeren Teilen des Schiffes ausgehalten hat ;)

Sonntag, 25. November 2007

En konsert

Als Liebhaber von Musik und Kunst ist man in der schwedischen Hauptstadt gut aufgehoben. Die über siebzig Museen hatte ich ja schon erwähnt und auch die Möglichkeiten zur musikalischen Berieselung sind vielfältig. Da mich vor allem jene Möglichkeiten interessieren, welche auch für den kleinen Geldbeutel attraktiv sind, war ich um so interessierter, als mich ein Kollege auf die kostenlosen Konzerte der Kungliga Musikhögskolan (der königl. Hochschule für Musik) verwies. Gestern Nachmittag war ich nun einmal dort und habe einem solchen kostenlosen Konzert beigewohnt. Wer jetzt denkt, dass dort auf Musikschul-Niveau getrötet wird, bei dem zunächst die Blockflötenkinder mit Hänschenklein-"Interpretationen" die Fussnägel zum kräuseln bringen, hat sich getäuscht.
Die Veranstaltung wurde in großen Teilen von Studenten der Hochschule ausgestaltet, die ihr Handwerk mehr als verstanden. Angefangen mit einem Streichorchester, welches in dem akkustisch sehr feinen Konzertsaal eine herrliche Dynamik entwickelte und ein Stück eines Stockholmer Komponisten zum besten gab, bis hin zu einem Konzert für Alt-Saxophon und Streicher war der Nachmittag wirklich lohnenswert.
Zwischen den Stücken wurden noch Stipendien einer Stiftung zur Musikförderung vergeben. Eine künftige Stipendiatin gab dann auch ein Stück auf ihrem Studieninstrument (der Blockflöte) zum Besten. Ich weiß, es ist unhöflich mit offenem Mund im Publikum zu sitzen. Aber ich habe noch nie jemanden solche Töne aus einer Alt-Blockflöte holen hören. Da steht dort vorn also eine zierliche Person und spielt die Meditaion von Ryohei Hirose. Ich kannte weder den Komponisten noch das Stück, doch war ich tief beeindruckt ... Es war nicht immer wohlklingend, aber vom ersten bis zum letzten Ton aufregend :-)

Vom Conférencier, der durch die Veranstaltung führte, hatte ich leider nicht so viel, denn mein Schwedisch ist noch immer sehr bescheiden. Aber ich werde mir fleißig Mühe geben. Und auch bei den Konzerten der Musikhochschüler werde ich in den kommenden Wochen mal wieder vorbeischauen.

Donnerstag, 22. November 2007

Innebandy

Ja, auch ich konnte mit diesem Wort zunächst nicht viel anfangen, als ich hier im Land der Elche angekommen bin. Zunächst sei verraten, dass es sich um einen Sport handelt. Um einen der beliebtesten Jugend- und Überhauptjedenalterssportarten, die es in Schweden gibt. In Deutschland ist dieser Mannschaftssport unter dem etwas eigentümlichen Namen "Unihockey" bekannt und beschreibt schlicht nichts anderes also ein Hockey-Spiel, welches in der Halle mit Leichtbau-Hockeyschlägern gespielt wird.

Da sich nun dieses schnelle Spiel hier in den letzten Jahren wahrlich zum Volkssport entwickelt hat (nachdem man vor ca 20 Jahren angefangen hatte, es an den Schulen einzuführen), ist es nur wenig verwunderlich, dass die Schweden auch das Internationale Turnier-Parkett dominieren. (Die Herrenmannschaft der Männer hat die 6 Weltmeisterschaften in den vergangenen 12 Jahren ja auch nur 6 mal gewonnen ...) Es gibt hier auch ein breites System von Amateurligen, damit auch jeder sagen kann, dass er in einer Liga spielt. Die Ergebnisse der Ligaspiele, füllen dann auch die engbedruckten Spalten einer ganzen Zeitungsdoppelseite - ich habe mir nicht alle durchgelesen ...

Ich hingegen, dessen sportliche "Ausbildung" nicht gerade geradlinig und in den meisten Fällen alles andere als freiwillig verlaufen ist, habe mich nun gestern auch in meine Hallen-Turnschuhe gezwängt, mir einen Schläger ausgeliehen und bin der Einladung meiner Kollegen gefolgt, sie doch beim Mittwoch-morgendlichen Innebandy Spiel zu unterstützen. (morgendlich meint hier übrigens 7.30 Uhr und Unterstützung ist eher relativ zu betrachten ...)
Die Regeln waren schnell erklärt. Das Runde muss ins Eckige, nur dass sowohl das eine als auch das andere ungefähr 10mal kleiner ist als beim Fussball. Gespielt wurde 3 gegen 3 auf ca. einem Basketballfeld. Den Schläger darf man nicht höher als bis zum Knie heben und den Gegner darf man damit auch nicht niederknüppeln. Soviel zum üppigen Regelwerk ...
Als mein Kreislauf realisiert hatte, dass ich nicht mehr in der U-Bahn sitze, war ich schon mit Ball und Schläger auf dem Weg zum gegnerischen Tor. Nein, ich habe nicht getroffen, aber immerhin bin ich in die richtige Richtung gerannt. Da es keine Trikots gab, war die Zuordnung der eigenen Mitspieler alles andere als einfach, aber meistens hat man dann doch aus versehen an die eigene Mannschaft gepasst.
Ich fasse zusammen: Das Spiel ist unglaublich anstrenged, wirklich schnell, macht ungeheuren Spass und ich habe 3 Tore geschossen (unter welchen Umständen diese zustande kamen und wieviele Treffer es insgesamt gab, verschweige ich hier :) ) Mal sehen, ob ich nächste Woche wieder mit von der Partie sein werde, mein Muskelkater meint zumindest, dass ich das öfter tun sollte ...

Montag, 19. November 2007

Ander Länder, andere Suppen

Ich will doch auch einige wenige Worte zum Thema Essen verlieren. Ähnlich den anderen Lebenshaltungskosten, ist natürlich auch das Essen in Schweden etwas teurer, was jetzt allerdings noch keine Rückschlüsse auf die Qualität zulässt.
Im allgemeinen sind die Lebensmittelläden überaus sauber und bieten ein breites Spektrum an bekannten wie auch unbekannten Nahrungsmitteln, durch die ich mich mehr oder minder gewagt durchprobiere.
Da in Schweden, wie in vielen Ländern auch, kein wirkliches Sauerteigbrot gebacken wird, gibt es allerlei Broterzeugnisse, die von Schwamm bis Keks alle möglichen Qualitätsstufen durchlaufen. Eines haben jedoch fast alle gemeinsam - sie sind süß. Auch daran gewöhnt man sich, jedoch tätigt man ob mangelnder Sprachkenntnisse dann doch hin und wieder den ein oder anderen Fehlgriff. Ich war ungemein froh, als ich eine Großpackung labbrigen Weißbrotes zu einem sehr günstigen Preis erstanden hatte und auch die Haltbarkeit noch beachtlich war. Ich mach es kurz - all jene Bäcker, die Anis und Koriander in ohnehin schon gesüßtes Brot einbacken, haben bestimmt eine heimliche sadistische Ader. Ich habe mich eisern durch die komplette Packung gegessen (bezahlt ist bezahlt), aber mich schüttelt es jetzt noch ...

Auf Konditoreierzeugnisse versteht sich hingegen die hiesige Back-Zunft vortrefflich. Die wirklich hübsch dekorierten Torten sind zwar zuweilen sehr massiv, aber mit ein bis zwei Tassen Kaffee dazu verdünnt äußerst schmackhaft. Überhaupt ist hier vieles ziemlich süß, woran das liegt muss ich noch herausfinden.
Ein Vorteil der schwedischen Vorliebe für Süßes sind die Godis-Bars, die es in jedem Supermarkt gibt. Wenige bis mehrere Meter lange Selbstbedienungsregale für jedes erdenkliche Naschwerk, welches man mit kleinen Schaufeln in seine Tüte füllen kann und dann nach Gewicht bezahlt. Es hat genau zwei Wochen gedauert, bis mir von einer meiner Zusammenstellungen das erste Mal schlecht geworden ist ... (immerhin ;o))

Um noch einmal zum Kaffee zurückzukommen. Der Schwede ist leidenschaftlicher Kaffeetrinker und hat mit kaffesugen (Kaffedurst) auch ein extra Wort um die akute Unterkoffeinierung auszudrücken. Da hilft dann nur eine schnelle Fika (Kaffeetrinken / Kafferunde) zu der sich jeder Schwede jederzeit gern einfindet. (Und auch mein Kaffee-Konsum hat sich in den letzen Wochen schon ein wenig erhöht - zumal es zur Fika auch manchmal leckere Torte gibt ... )

Dass es allerlei Kreationen aus und mit Fisch oder Meeresfrüchten gibt, brauche ich wohl nicht extra zu erwähnen, da Schweden in vielen Gebieten ja fast nur aus Küste zu bestehen scheint. Vom frittierten Salzhering, den es in der Mensa heute Mittag gab, werde ich allerdings dann doch nicht berichten. Die Kreationen sind wohl in jeder Mensa zuweilen etwas eigenwillig ...

Samstag, 17. November 2007

Kunst und Krempel

Neben der Musik gibt es noch ein weiteres Mus-Wort, welches es mir angetan hat - die Museen. Da Stockholm über 70 dergleichen hat, bin ich also auch aus dieser Perspektive in der schwedischen Hauptstadt gut aufgehoben. Da man gute Sachen ja langsam genießen soll, hab ich mir auch erst zwei Vertreter der Museumslandschaft zu Gemüte geführt.
Zunächst war ich im Nordiska Museet (das Nordische Museum - auch wenn die Übersetzung hier wohl überflüssig war). Neben wechselnden Ausstellungen beherbergt es vor allem die Exponate zu Volkskunde und Kulturgeschichte der nordischen Länder. Von Mobiliar über die Darstellung von Lebensweise und Geschirr der Verschiedenen Epochen und der unterschiedlichen Gesellschaftsschichten bis hin zu einer ausgiebigen Sammlung von Alltagsgegenständen war eigentlich alles vorhanden.

Wo wir gerade beim Thema Sammeln sind, möchte ich dazu noch ein wenig weiter ausholen, da es eben die aktuelle Sonderausstellung zum Thema "Sammlungen" war, welche mein Interesse besonders auf sich zog. Es waren drei Sammler-Kategorien dargestellt. Es beginnt mit den kleinen Sammler, Kinder, die schon beachtliche Mengen an Bällen, Kröten oder Steinen zusammengetragen hatten und somit die frühe Saat einer Sammelleidenschaft gelegt haben. Wie sich diese Leidenschaften auswachsen können, war dann bei den großen Sammlern gezeigt. Es wurde Menschen aus Schweden und vor allem deren Sammlungen vorgestellt. Man steht nun vor jedem Schaukasten und versucht sich den Menschen vorzustellen, der hinter diesen, z.T. bizarren, Ansammlung von Exponaten steht und fragt sich andererseits wie es möglich ist, dass es eine derartige Formenvielfalt von Konsumgütern jeder Art gibt. Eine Sammlerin hatte tausende von Kerzen zusammengetragen - in Form von Tieren, anderen Alltagsgegenständen und sogar Pralinen. Beeindruckend war auch die Radiergummi-Sammlung - von Radier-Daumen (die wirklich aussahen wie frisch abgeschnitten), über Radier-Ohren (die man bestimmt auch gern mal verleiht) bis hin zu Radier-Kackhaufen (die hoffentlich keine braunen Streifen auf dem Papier hinterlassen) war alles vorhanden. Über Tausende von Bierdeckeln, Streichholzschachteln, Taschentücher, Spielzeugautos, Flaschen, Puderdosen und und und gab es alles zu bestaunen.
Der aufmerksame Leser wird gemerkt haben, dass ich noch eine Kategorie vergessen habe - die Mega-Sammler. Damit waren die Museen gemeint. Und hier galt es eher die Frage zu erörten, mit welchen Sammel-Exemplaren unserer heute so überfrachteten Welt diese einer späteren Generation wohl am authentischsten widergegeben werden kann. Eine richtige Antwort gibt es auf die Frage eigentlich nicht, aber es wurden einige Methoden gezeigt, mit welchen dieses Museum arbeitet. So wurde beispielsweise die komplette Inneneinrichtung eines Hauses in den 70er Jahren vom Museum übernommen und katalogisiert - eigentlich eine schöne Sache, da könnte ich meinen ganzen Krempel aufheben und müsste ich doch nicht selbst lagern ;)
Ich könnte jetzt hier noch viel mehr schreiben, über den Aderlass, der in den 30er Jahren noch gängiges Heilmittel in der Volksmedizin war, die Lupe von Carl v. Linné und vieles mehr, aber ich will es ja nicht in die Länge ziehen ...

Eine Sache noch. Um darzustellen, wie die Menschen in den verschiedenen Epochen denn so gespeist haben, war für jedes Jahrhundert eine große Speisetafel aufgebaut - mit Geschirr und reichlich Nahrungsmitteln. Auffallend war jedoch, dass das Essen - je mehr man in der Zeit zurückschritt - seiner Herkunft immer eindeutiger zuzuordnen war. Gab es im vorigen Jahrhundert feine Pasteten und Filets. Waren zwei Jahrhunderte zuvor die gebratenen Schwäne und Tauben noch mit dem vollen Federkleid geschmückt auf der Tafel aufgebaut, wohingegen noch einige Jahrhunderte zuvor nur ein enthäuteter, gekochter Rinderkopf und einige Fische auf der Tafel Platz fanden.
Diese Entwicklung scheint voranzuschreiten, da die äußere Form jedoch schon gänzlich vom Inhalt abstrahiert ist, wird in Zukunft wohl auch noch der Inhalt abstrahiert und aus einem Hühnerfilet wird ein wohlgeformtes Eiweißsubstrat mit Chicken-Aroma der DIN-Norm Huhn-B4a ...

Über das Nationalmuseum werde ich mich das nächste Mal auslassen.

Montag, 12. November 2007

Where the music plays

Einige wissen vielleicht, dass ich den vielfältigen Formen der Musik äußerst zugetan bin, was sich natürlich auch so fern der Heimat nicht geändert hat. Und ich bin ziemlich froh, dass sich mir doch schon so zahlreiche Gelegenheiten offenbart haben, dieser Leidenschaft nachzugehen. Meine erste Musik-Begegnung hier war rein zufällig. Als ich am Samstag durch die Stadt lief, blieb ich an einer Kirche hängen. Also nicht mit der Jacke, sondern ihre Architektur lenkte meine Aufmerksamkeit auf sich. An der Tür der St. Jakobs Kirche hing denn auch ein großes OPEN-Schild, was mich geradezu aufforderte doch auch das Innere zu bewundern. Zunächst dachte ich, ich wäre mitten in einen Gottesdienst geplatzt, da im Innenraum geschäftiges Treiben herrschte. Schnell stellte ich allerdings fest, dass ein kompletter Chor (aus Versterås, wie ich später herausfand) und ein orstansässiges Orchester gerade ihr Plätze eingenommen hatten. Ich war mitten in eine Generalprobe zu einer Aufführung für Brahms' "Ein deutsches Requiem" geplatzt und packte die Gelegenheit beim Schopfe in der kommenden Stunde die wunderbare Akkustik der Kirche zu genießen, welche nur hin und wieder vom energischen Unterbrechen des Dirigenten bzw. den zuweilen etwas eigenwilligen Harmonien des Orchesters gestört wurde.
Nur noch ein Gedanke am Rande, der mir während des Requiems gekommen ist. Eigentlich ist ein Dirigent doch nichts anderes als ein analoger DJ, oder? Nur hat er für seine persönliche Komposition der "Tonspuren" keine Technik sondern nur sich selbst zur Verfügung, er hat keine Wiedergabemedien, sondern agierende Musiker, welche sich selbst auch mit dem was sie spielen identifizieren und das Ganze durch das Tun des Einzelnen verändern - es ist also eine Livemix einer (teils uralten) Notenvorlage. Für alle die also glauben, dass ein Dirigent nur wild mit der Hüfte wackelt und mit dem Taktstock zappelt, sei ein Zitat des Finnischen Drigenten-Lehrers Jorma Panula ausgegraben: "How will you be able with your being and hands to express everything going on in your head?"
(Jeder der mit mir über den DJ-Vergleich diskutieren möchte, kann das in den Kommentaren gern tun :) )

Eine andere musikalische Richtung schlug ich dann am Abend ein, der mir in einem winzigen Haus in einem Vor-Vor-Ort von Stockholm drei lokale Bands von zunächst sehr melodiösem Rock (Eloise Kerr) bis hin zum Punkrock (Waste of hundreds) bescherte. Zu dem Abend hatte mich mein Kollege Fahad eingeladen, der ein paar Freunde dort hatte, mit denen ich dan auch einen sehr netten Abend verbrachte und wieder viel über Schweden gelernt habe - dass ich mal wieder der einzige Nicht-Schwede war, sag ich jetzt nicht dazu. Was es aber mit der Lucia auf sich hat und warum die Schweden am Heiligabend mit Disney tradieren, werde ich euch beim nächsten Mal erzählen.

Samstag, 10. November 2007

Im Untergrund

Eigentlich bin ich ja eher der Lauf- bzw. Fahrrad-Typ. Aber beide mir sonst so gewogenen Fortbewegungsarten, habe ich hier in Stockholm ein wenig zurückgeschraubt. Da es von meiner Wohnung bis zur Arbeit ca 15 km (Luftlinie) sind, bin ich unter die eifrigen Nutzer des Nahverkehrs gegangen - aber auch das hat seine Vorteile.
Man drängt sich morgen mit einem (wenn man zur richtigen Zeit fährt) überschaubaren Strom von Menschen in die U-Bahn und bekommt kurz vorher noch eine der zahllosen kostenlosen Zeitungen in die Hand gedrückt, damit man sich auf der Fahrt auch nicht langweilt. Da mein Schwedisch zum Zeitunglesen leider noch etwas zu dürftig ist, bin ich dazu übergegangen, die anderen Fahrgäste zu beobachten - teils eine sehr amüsante Beschäftigung ...

Im U-Bahnhof T-Centralen muss man dann zahllose Rolltreppen und Förderbänder passieren, um von einer Linie zur anderen zu kommen. Hierbei hat sich ganz klar das Autobahn-Prinzip durchgesetzt, mit einer T- und einer G-Spur. Die rechte T-Spur für die Träumer, Telefonierer und Trödler, die beim Laufen nicht so recht vorankommen und für die es eigentlich einen Standstreifen geben sollte und links die G-Spur mit Geschwindigkeitsrekordlern, Geschäftsleuten und Gehwegraketen, die sich ungestüm nach vorn drängen. Da ich die Bummelei nicht so recht leiden kann, oute ich mich hier mal als G-Spurer ...
Jeder U-Bahnhof unter Stockholm ist von einem anderen Künstler gestaltet und hat oftmals auch einen inhaltlichen Bezug zu seinem Standort. Vom Kindergekrakel bis hin zu gewagten Installationen und erschlagender Farbenvielfalt, ist eigentlich alles zugegen. Und man findet sich auch gut zurecht, wenn man sich nicht mehr so recht an die schwedischen Namen der Haltepunkte erinnern kann ;)
Der Nahverkehr ist relativ teuer, aber dafür fahren die Zügen eigentlich immer und sind zumeist recht pünktlich. Außerdem kann man mit seinem Fahrschein auch alle Busse und Pendelzüge im Tarifgebiet nutzen, was für einen Dörfler wie mich schon ziemlich umfangreich ist.

Die Züge selbst sind mit Werbetafeln vollgestopft, auf dass man vielleicht doch noch den ein oder anderen Konsumartikel findet, welchen man sich zulegen sollte. Auch wenn zuweilen etwas fragwürdige Werbung dabei ist. Neulich wurde ein Build-Your-Willy-Set angeboten. Damit kann dann die männliche Fraktion unter den Lesern eines der eindeutigsten seiner primären Geschlechtsmerkmale originalgetreu! (so die Werbung) in vibrierendem Gummi nachbilden. Also ich möchte so etwas bestimmt nicht unter meinem Weihnachtsbaum finden ...

Bus bin ich hier leider noch nicht gefahren, aber das kommt bestimmt noch.

Mittwoch, 7. November 2007

Home sweet home

Nach kurzer Nacht machte ich mich dann auf den Weg zu meinem ersten Arbeitstag. Das Gepäck im Hostel zurückgelassen, schlenderte ich also bei leichtem Nieselregen und bewaffnet mit zwei Bananen und einem Kaffee in Richtung Albanova-Campus, meiner wissenschaftlichen Heimat für die nächsten sechs Monate.
Dort erwarteten mich erstmal einige Formalitäten und jede Menge Einführungen zu meiner Arbeit da. Aber so fühlte ich mich wenigstens gleich gut informiert und die Leute, welche mir diese nahebrachten, waren alle sehr nett.
Nachdem ich dann auch meinen Wohnungsschlüssel abgeholt hatte, steuerte ich am späten Vormittag also wieder gen Innenstadt, um im Hostel mein Habe wieder an mich zu nehmen.
Irgendwie war die Last meines Gepäcks schier erdrückend, aber wahrscheinlich sehnte ich mich nur ein wenig nach Schlaf.
Nach einer Odyssee durch die U-Bahnstation im Stadtzentrum (es gibt nur Rolltreppen nach oben, wenn man nach unten will, muss man zu Fuß - und ich "wollte" ganz nach unten) wo ich eine Menge Spass mit meinem Riesengepäck hatte ...
Ich weiß zwar nicht so recht, wie ich das alles geschafft habe (nachdem sich eine kleine aber wachsende Schlange hinter mir gebildet hatte, da ich in der Nachmittags-Rushhour mit meinem Koffer im Drehkreuz stecken geblieben war) aber schließlich bin ich dann doch in Kista (sprich: Chiesta) angekommen und habe auch die letzten Meter Fußweg zu meiner Wohnung bewältigt.

Ich muss sagen, ich bin wirklich zufrieden mit dem Zimmer. Es liegt zwar ein wenig außerhalb, ist dafür aber wirklich groß (ich habe noch nie in einem solch großen Zimmer gewohnt) und es ist richtig hell, da eine Wand praktisch vollkommen aus Glas besteht. Die Küche ist auch schon drin und zu meiner Verwunderung hat mir mein Vormieter jede Menge Geschirr, Besteck und Töpfe vermacht. (da will ich auch mal eine Auge wegen der Sauberkeit zudrücken ... )
So lange konnte ich das Zimmer dann aber auch nicht genießen, denn gleich nach dem Auspacken musste ich wieder zurück in die Stadt, um den zweiten Teil meiner Arbeitseinführung nicht zu verpassen. Nach einem abendlichen Putz- und Spülmarathon fiel ich dann vollkommen erschöpft in mein bequemes Bett ...

Sonntag, 4. November 2007

Der Weg war eigentlich nicht das Ziel ...

Da ging es also wirklich los. Da saß ich nun im ICE gen Stockholm und so richtig hatte ich es noch nicht realisiert, dass ich das nächste halbe Jahr in der schwedischen Hauptstadt verbringen würde.
Doch warum bin ich überhaupt aufgebrochen? Lange hegte ich schon den Wunsch, innerhalb meines Studiums die skandinavischen Länder nicht nur mit einem Urlaub, sondern auch mit einem etwas längeren Studienaufenthalt meinerseits zu beglücken. Doch irgendwie habe ich es nicht geschafft und auch nicht für sinnvoll erachtet, diesen Aufenthalt eher in meinem Studium unterzubringen, als direkt vor meinem Diplom. Ich werde also noch nicht Diplomarbeit schreiben, sondern in Stockholm ein halbes Jahr Praktikum machen. Das ist auch an der Uni, also muss ich mich schon mal nicht vom studentischen Umfeld her umgewöhnen... aber noch war ich ja noch gar nicht angekommen.

Die ICE-Fahrt war relativ schnell und unproblematisch absolviert. Nach einem Latte Macchiato und einer guten Stunde Zeit ging es dann ab Berlin weiter mit dem Euro-Night-Express Berlin-Malmö. Das erste mal in meinem Leben Liegewagen - im Sechserabteil. Ich hatte mir das eigentlich noch mehr wie eine Sardinenbüchse vorgestellt, doch es war recht viel Platz, trotz dessen, dass das Abteil voll belegt war. Eine Kurze Beschreibung unserer Reisegemeinschaft: Auf der untersten Ebene zwei schwedische Herren. Der eine Mitte Zwanzig, der andere Mitte Achtzig. Darüber ein Pärchen (beide 19 und auch aus Schweden). Ganz oben ich und eine Deutsche, die gebürtige Tschechin war (um die 70). Letztere bedachte mich eifrig mit einer Konversation nach der anderen, indem sie mir erklärte wie sie nach Schweden reist, warum, wie oft, wann und wie zurück und und und ...
Schließlich kam dann doch Ruhe ins Abteil und gegen halb eins wurde das Licht gelöscht. Zu dem leichten Klappern der Schwellen gesellte sich alsbald der Viertvierteltakt eines geriatrischen Schnarchkonzertes,die Oma oben auf die Eins und der Opa unten auf die Drei ...
Ich hatte mich gerade schalldicht zwischen Kopfkissen und dicker Jacke eingepackt, als gegen halb zwei das Licht wieder anging und sich ein aufgeregter Schaffner meldete, dass der Zug nur bis Stralsund/Rügendamm fahre, da in Rügen der Strom ausgefallen wäre. Nach einer Unzahl von deutsch-schwedisch-englischen Durchsagen im Zug und hektischem Umhergeräume mussten die 300 müden Passagiere des Euro-Night mitten in der Nacht in schnell gecharterte Busse umsteigen. (inklusive Gepäck versteht sich - ich habe es noch nicht erwähnt, aber das belief sich bei mir auf weit über 40 kg).
Vom Bus (der sich auf der einstündigen Fahrt zur Fähre auch nur zweimal verfahren hatte) ging es dann zu Fuß auf die Fähre. Da wir viel zu spät ankamen, waren die guten Plätze natürlich alle schon weg. Somit übernachtete ein Großteil der Zugpassagiere auf dem Fußboden - mit wachem Auge und zwei gesunden Ellenbogen hatte ich mir aber rechtzeitig einen Sessel ergattert. Dennoch wurde aus dem eigentlich geplanten Schlaf im Zug letzten Endes ein Schlafentzug.
Schließlich kamen wir am nächsten Morgen dann mit einem Ersatzzug mehr oder minder pünktlich in Malmö an. Da ich ein wenig Puffer eingeplant hatte (man weiß ja nie), hatte ich in Malmö drei Stunden Zeit, in welchen ich vollkommen teilnahmslos das Reisezentrum anstarrte (ich hatte ja immerhin nur eine Stunde geschlafen.)

Schließlich ging es dann um 11 Uhr weiter mit dem Schnellzug gen Stockholm, der sich erfrischenderweise einmal als vollkommen unkompliziert herausstellte.
Von meinem Peer-Student Eva vom Bahnhof abgholt, haben wir dann auch das Hostel nach kurzer Sucherei gefunden. Ah, ein Bett - mein Bett - zumindest für diese eine Nacht ...
Die war auch wirklich ganz gut, bis die drei Italienerinnen aus meinem Zimmer gegen halb vier vom Feiern zurückkamen und sich im Zimmer die Haare föhnten ... aber ich war den Schlafentzug ja nun schon gewohnt ...